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                                          Meditationen über Topographie und Geschichte

Rote Straße in Göttingen

I.4. Burg, Klöster, Kirchen

Rote Straße Göttingen

Bild: © Roland Salz 2014

Trotz seiner heutigen Berühmtheit ist die Göttingen Universität erst im 18. Jahrhundert, genauer gesagt im Jahre 1734, gegründet worden. Im Mittelalter, im 13. Jahrhundert etwa, zur Zeit der Gotik, als die Universi- tät von Paris zum geistigen Zentrum Europas wurde, von dem das scholastische Denken ausging, das das gesamte Mittelalter beherr- schen sollte, zeigte Göttingen noch ein ganz anderes Bild: es war eine aufstrebende, reich gewordene und durchaus nicht unwichtige Handels- stadt. Ihre Bürger galten als äußerst selbstbewußt. Zwar gibt es auch heute noch eine Burgstraße innerhalb der nahezu kreisförmigen, noch immer allseits von einem Wall (auf dem man heutzutage unter hohen, schattenspendenden Bäumen entspannt spazierengehen kann) umge- benen Altstadt, so sucht man doch die zugehörige Burg vergeblich. Nur wer den Asphaltboden eines Schulhof in der Nähe des heutigen Ritterplans genau betrachtet, findet darin einen alten Grundriß einge- schrieben, der von bis zum Erdboden abgetragenen Fundamenten herrührt. Hier stand sie also, die ehemalige Burg, bolruz genannt, in der der Landesherr residierte bis man sein Anwesen im Jahre 1387 zerstörte und sich seiner auf solche Weise elegant entledigte. Ein ähnliches Schicksal hatte zuvor die altehrwürdige sächsische Kaiser- pfalz Grona erlitten, die, vor den Toren Göttingens gelegen, den Kauf- leuten und Ratsherren lästig geworden war.

          Auch von den einstmals mächtigen Klöstern innerhalb der Stadtmauern ist nicht viel geblieben. Nur die Barfüßerstraße erinnert noch an jene große Klosteranlage der Franziskaner, deren Kirche 1820 abgerissen wurde, um auf ihrem Grund die Aula der Universität zu er- richten. Die Paulinerkirche der Dominikaner, auf der anderen Seite der Altstadt gelegen und deren größtes Kirchengebäude, steht zwar bis heute, ist aber kaum noch als Kirche zu erkennen. Kein Wunder, denn seit der Säkularisation des Klosters im Zuge der Reformation wurde sie nur noch zweckentfremdet genutzt, die längste Zeit für die stetig anwachsende und immer mehr Platz beanspruchende Göttinger Univer- sitätsbibliothek.

          Erhalten geblieben aus der alten Glanzzeit der Hansestadt, die mehr als zweihundert Jahre lang dauerte, von 1351 bis 1572, und nahezu unversehrt sind aber ihre fünf Stadtkirchen: die Pfarrkirchen St. Johannis, St. Jacobi, St. Marien, St. Nicolai und St. Albani. Auch einige Bürgerhäuser sind uns aus dem hohen Mittelalter überkommen: in der Roten Straße etwa steht ein unscheinbares Fachwerkhaus aus dem 13. Jahrhundert.

          Den Mittelpunkt der etwa einen Kilometer durchmessenden Altstadt aber bildet, wie seit jeher, der Marktplatz. Und er wiederum wird uneingeschränkt beherrscht von einem massigen, heute archaisch an- mutenden gotischen Steinbau: dem Alten Rathaus.

 

 

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