Pisa © Roland Salz 2000 - 2015
Roland Salz                                                                      
                                                                      Meditationen über Architektur

VIII. Pfarrkirche: Innenraum: Langhaus (ohne Deckenschmuck, Triumphbogen, Seitenaltäre)

 

Die Portalschwelle stellt in gewisser Weise einen Spiegel dar: steht man außen vor ihr unter dem Portikus, dem Vordach, das den Blick zum Himmel nimmt und von den beiden Marmorsäulen getragen wird, so befindet man sich nach dem Eintreten ins Innere unter einer flachen, nur mit einer Blendkartusche verzierten Decke, unterstützt ebenfalls nur von zwei relativ dicht beieinander stehenden, also ganz ähnlichen Marmorsäulen. Man befindet sich in einer Art Vorraum, der aber zum Kirchenraum offen ist. Die Decke - man weiß noch nicht, daß es eine Empore ist - nimmt die Sicht nach oben, und so bleibt man nicht stehen, sondern geht unwillkürlich weiter nach vorn, in den Kirchenraum hinein.

          Die Pfarrkirche ist eine Saalkirche, d.h. sie besteht - wie die St.Anna-Kapelle - nur aus einem einzigen Schiff. Auch die Pfarrkirche wird von einem Tonnengewölbe mit halbkreisförmigem Querschnitt überdeckt. Hier ruht es aber zwischen den Jochen auf deutlich ausgebildeten Wandpfeilern, und nicht auf bloßen Pilastern wie bei St.Anna. Die Wandpfeiler der Pfarrkirche entsprechen den Pfeilern des Triumphbogens in der St.Anna-Kapelle was die nach oben vorkragenden, stark profilierten Kämpfergesimse anbetrifft, die Pfeilervorlagen und die von ihnen bewirkten Gesimsverkröpfungen. Die hohen Rundbogenfenster reichen auch hier in die Gewölbezone hinein; die nach innen steil ansteigenden und oben spitz zusammenlaufenden Stichkappen setzen jedoch nicht wie bei St.Anna direkt an der Fensterwand an, sondern hier an rundbogigen Längsgurten, die sich, auf den Wandpfeilern ruhend, über die Fensteröffnungen spannen und so die Schildbögen betonen.

          Über dem "Westjoch", dh dem an die Fassade grenzenden Joch, das hier in Wahrheit nach Norden zeigt, befindet sich eine zweigeschossige Empore. Während die untere, die über zwei Treppen links und rechts vom Portal erreichbar ist, mit Bankreihen bestückt ist, ist die obere Empore, deren Brüstung bereits in die Gewölbezone hineinreicht, der Orgel vorbehalten. Die Orgelempore steht ihrerseits auf der unteren Empore wieder nur mit zwei rosafarbenen Marmorsäulen, die die Last genau auf die unteren Marmorsäulen weitergeben. Auch die Unterseite der Orgelempore ist weiß getüncht und nur mit einer Blendkartusche versehen. Beide Emporen ragen etwas in das zweite Joch hinein. In der Mitte fluchten die in gerader Linie, quer zum Langhaus verlaufenden Brüstungen übereinander; außen jedoch springt sie bei der Orgelempore in konkaver Krümmung zurück, so daß die Kapitelle der Wandpfeiler zu sehen bleiben. Die Vorderseiten der Emporenbrüstungen sind schlicht mit gereihten Vertiefungen geschmückt, rosa auf weißem Grund, in der Form von Rechtecken, denen die Ecken durch runde Aussparungen (Viertelkreise) genommen sind - ein Motiv also, das der Form der Orgelempore entspricht.

          Die Orgel selbst steht so weit hinten, daß selbst vom Chor aus nur ihre Spitze hinter der Brüstung zu erkennen ist.

          Im zweiten Joch des Langhauses (vom Eingang her gesehen) befinden sich rechts und links Seitenportale unter den Fenstern. Auf der Außenseite der Kirche haben sie einfache kleine Vordächer. Im dritten Joch stehen auf beiden Seiten schöne Beichtstühle aus hellem Holz. Sie sehen unaufdringlich aus, wie rustikale, dreiteilige Wandschränke. Die mittlere Tür ist in der oberen Hälfte bleiverglast, mit einem Vorhang dahinter. Kindern, deren Eltern gerade dabei sind, andächtig die Pfarrkirche zu besichtigen, haben immer etwas für diese Beichtstühle übrig, kann man sich doch hinter den heimeligen Türen wunderbar und völlig geräuschlos verstecken. Man ist einfach verschwunden, hat sich von einem Moment auf den anderen in Luft aufgelöst.

          Ein vergoldetes, durchbrochenes Blattrankenwerk bildet einen Ziergiebel über die gesamte Breite des Beichtstuhls. In der Mitte steigt er an und umfaßt unter einem Palmettenornament ein kleines Giebelgemälde.

          Auch an den Seitenwänden der Pfarrkirche finden sich die Kerzenhalter wieder, wie sie schon in der St.Anna-Kapelle anzutreffen waren. Während sie in dieser jedoch unten rechts und links der Fenster angebracht waren (dort, wo in der Pfarrkirche die Kreuzwegbilder hängen), zieren sie in jener die Wandpfeiler selbst (die in der Kapelle ungeschmückt sind). Und sie sind viel aufwendiger als in der kleinen Kapelle: ihre Umrahmungen sind nicht gemalt, sondern als kompliziert ornamentierte und farbig gefaßte Stuckkartuschen ausgeführt.

          Bis zu den Kämpfern, in einer Höhe von etwa acht Metern, sind die geweißelten Wände bis auf diese Kerzenhalten und die vierzehn Kreuzwegbilder völlig ungeschmückt. Die Kreuzwegstationen (aus dem Jahr 1858) allein machen aber einen Rundgang um die Kirche schon lohnend: mit ihrer Farbigkeit (die gesamte Kirche wurde in den 80er Jahren saniert), ihrer motivischen Strenge und Ausdruckskraft sowie den Ziergiebeln auf den Bilderrahmen, die in der Art derjenigen auf den Beichtstühlen geschaffen sind.

          Auf dem Fußboden der Kirche sind quadratische Steinplatten in diagonaler Linie verlegt. Der Adneter Marmor, aus dem sie bestehen, ist ebenfalls rosafarben, aber etwas dunkler als der Kramsacher der Säulen. Und noch eine dritte Art von rosafarbenem Marmor wurde in der Pfarrkirche benutzt: der Boden des Chors ist mit Platten aus Loferer Marmor ausgelegt. Im Gegensatz zur Kapelle stehen die Holzbänke der Kirche nicht frei verschiebbar auf dem Kirchenboden, sondern sie sind auf ein fußhohes Holzpodest montiert. Man kann erahnen, welches Gescharre jedesmal entsteht, wenn sich die gesammelte Gemeinde zum Gebet erhebt. Podest und Bänke sind unlackiert, und wieder zeigen die Seitenteile der Bänke schwungvolles Schnitzwerk, das, wenn die Sonne darauffällt, unwiderstehlich den Blick auf sich zieht.

 

 

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