Pisa © Roland Salz 2000 - 2015
Roland Salz                                                                      
                                                                      Meditationen über Architektur

VI. Der Aufbau des Hauses von unten nach oben (Teil 2)

 

Die starke Neigung des Gebäudes über den Bach bedarf eines Gegengewichts. Wir haben schon gesehen, daß die vier parallelen Fundamente in der gestaffelten nördlichen Rückwand verankert sind. Für die riesige, in Verlängerung der vier parallelen Fundamente durch Träger verstärkte Betonplatte des Parterre bilden die überbauten Par- tien der oberen Stockwerke ein Gegengewicht: sie liegen alle im hinte- ren, bachabgewandten Bereich. Optisch wird die ganze Konstruktion zusätzlich durch ein Gitter aus parallelen Stahlbetonbalken verankert, die auf der Höhe der Decke des Parterre die aus grauen, rustikalen Sandsteinplatten hochgemauerte Rückwand des Gebäudes mit dem aufragenden Fels an der gegenüberliegenden Seite des Zufahrtswe- ges verbinden. Der etwa fünf Meter breite Weg wird so auf einer Länge von 15 Metern in einen halbüberdachten Zustand versetzt. In diesem Bereich liegt auch der Eingang zum Chalet.

          Zwei weitausholende Terrassen im ersten Stock, beide im nördlichen, hinteren Bereich gelegen, stabilisieren das Gebäude an den Flanken wie die weiten Ausleger eines schweren Krans. Die nord- westliche Seitenterrasse, die dem im "Turm" gelegenen Schlafzimmer zugeordnet ist, erstreckt sich über die vor der Kante des Abhangs liegenden beiden großen Felsbrocken. Der nördliche von ihnen steigt zum Weg hin an und bildet so für die Terrasse einen natürlichen Auflagepunkt. Zusätzlich ist die Terrasse mit diesem Felsen - wieder- um vor allem im Hinblick auf eine optische Verankerung der Gesamt- konstruktion - über drei aufgesetzte Betonfinger verbunden, die sich, aus der Terrassenbrüstung ragend, am Felsbrocken festzukrallen scheinen.

          Im Osten des Gebäudes, genau unterhalb der östlichen Seitenterrasse und zu ihr kongruent, liegt neben dem Bach ein ummau- erter Bereich, der als "plunge pool" dient, also wenn nicht zum Schwim- men, so doch wenigstens zum morgendlichen Eintauchen geeignet ist, in unmittelbarer akustischer und atmosphärischer Fühlung mit dem nur von einer niedrigen Mauer abgeteilten, hier aber zum Baden zu seich- ten Bach.

          Das Schwimmbecken liegt im äußersten östlichen Zipfel des gleichschenkligen Dreiecks, das wir als Basisgrund für das Chalet abstrahiert hatten. Es wird auf der einen Längsseite vom Bach, auf der anderen von einer zweistöckigen Mauer (als Teil des gestaffelten Rückgrats des Gebäudes) begrenzt, hinter der unmittelbar der Weg liegt. Der Gesamtkomplex des Gebäudes findet aber in dieser Him- melsrichtung mit dem Schwimmbecken noch nicht seinen Abschluß; die Sandsteinmauer führt, unterbrochen von einem letzten rechtwinkligen Absatz, noch weiter bis zur Brücke über den Bach. Die ehemalige Holzbrücke ist - an genau gleicher Stelle - durch eine solche ersetzt worden, die in ihren Baumaterialien ein verkleinertes Abbild des Chalets ergibt: Fundamenten aus aufgeschichteten rustikalen Steinplatten sind Brüstungen aus Stahlbeton aufgelegt, die mit ihren oben abgerundeten Kanten und ihrem beigen Anstrich denjenigen der Terrassen entspre- chen. Die Brücke wird also in den Gesamtkomplex einbezogen und bildet für diesen eine Art von fließendem Übergang in die umgebende Natur.

          Die Beschreibung des Gesamtbaukörpers wird durch wenige weitere Elemente vervollständigt. Der zweite Stock erhält östlich vom Turm-Teil einen schmalen Trakt, der im Norden von der gestaffelten Grundmauer begrenzt wird und auf der südlichen Längsseite fast vollständig - durch fünf nebeneinanderliegende Glastüren - geöffnet ist, und zwar zu einer weiteren großen Terrasse, die zusammen mit dem schmalen Trakt das Dach für die Wohnfläche im ersten Stock bildet. Der zweite Stock ist von flachen, dünnen Betondächern überfangen, dasjenige des Turmstudios ist optisch von den noch etwas höher gezogenen Sandsteinmauern verdeckt. Solche flachen, dünnen, an den Kanten wie die Terrassenbrüstungen abgerundeten und wie diese gestrichenen Betondächer finden sich in vielfacher Weise und unter- schiedlicher Größe auch sonst am Gebäude: als Überstände über Fenstern (Sonnenschutz), oder zur Teilüberdachungen von Terrassen.

          Der höchste Punkt des Hauses wird von einem aus Sand- steinplatten gemauerten, in südöstliche Richtung verlaufenden Wand- stück erreicht, in dem sich die insgesamt fünf in einer Reihe nebenein- anderliegenden Kamine befinden und das genau über dem zentralen Felsbrocken aufsteigt. Es überragt das Bauwerk wie der langgezoge- ne, längs zur Fahrtrichtung stehende Schornstein eines Ozeanriesen.

 

 

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