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IX. Pfarrkirche: Innenraum: Triumphbogen, Kanzel, Chor (ohne Altäre, Ausstattung, Deckenschmuck)
Nach dem vierten Joch wird das Langhaus durch einen breiten, eine Halbkreis beschreibenden Triumphbogen abgeschlossen. Die ihn tragenden Wandpfeiler springen gegenüber dem letzten Wandpfeilerpaar der Längsgurte geringfügig in Richtung zum Chor zurück, übernehmen aber genau das Profil seiner Kämpfergesimse. Dadurch entsteht zwischen Wandpfeilern und Triumphbogenpfeilern eine markante Verkröpfung. Die Triumphbogenpfeiler ragen weit in den Kirchenraum hinein, und der Chor ist viel deutlicher eingezogen als in der St.Anna-Kapelle. Und so finden links und rechts des Chordurchgangs nicht wie in St.Anna nur zwei Skulpturen, sondern hier zwei stattliche Seitenaltäre Platz, die, obwohl ein halbes Jahrzehnt später und von einem anderen Meister geschaffen (1770), auf wunderbare Weise mit dem Hochaltar harmonieren.
Wie in der St.Anna-Kapelle ist auch bei der Pfarrkirche der Chor gegenüber dem Langhaus nicht nur schmaler, sondern auch niedriger: drei Stufen führen vom Langhaus zu ihm hinauf, rhythmisch gegliedert, erst eine, dann, nach einem Meter Pause, nochmal zwei; und auch die Scheitelhöhe seines Gewölbe liegt etwas tiefer als im Langhaus. Das Chorjoch ist aufgrund der links und rechts von ihm befindlichen Gebäudeteile (Turm auf der Nord- und Sakristei auf der Südseite) fensterlos. Es weist an den Seiten, zwischen den beiden Wandpfeilerpaaren (deren vorderes von den Pfeilern des Triumphbogens gebildet wird), aber trotzdem eine von einem rundbogigen Längsgurt überfangene Vertiefung auf; anstatt der Fenster, wie im Langhaus, enthalten diese Vertiefungen auf beiden Seiten kleine, balkonartige Emporen. Deren schlichte, weiße Vorderfluchten sind etwas gegenüber denjenigen der sie seitlich begrenzenden Wandpfeilerpaare zurückgenommen, so daß die Emporen vom Langhaus aus kaum zu sehen sind. Die Balkonvorderseiten sind mit genau denselben rosa unterlegten Vertiefungen geschmückt wie die Empore im Westjoch des Langhauses.
Die Chorbalkone befinden sich auf der Höhe des unteren Drittels der Langhausfenster. Unter ihnen haben also Holztüren Platz, die auf beiden Seiten mittig in den Wänden des Chorjochs plaziert sind und in die Sakristei bzw in das Turminnere führen. Rechts und links von diesen Türen stehen kleine Chorgestühle, die jeweils zwei Personen Platz bieten, mit hochgezogenen Dorsalen (Rückwänden) und Brüstungen, an den Wangen mit Schnitzwerk versehen, ähnlich wie das Gestühl im Langhaus. Das Holz dieser Chorgestühle ist - wie fast das gesamte in dieser Kirche verbaute Holz - noch auffällig hell.
Auch der runde Chorschluß der Pfarrkirche ist aufwendinger als bei der St.Anna-Kapelle ausgeführt. Besitzt die Kapelle zwar - anders als die Pfarrkirche - Fenster im Chorjoch, so ist ihr Halbkreisschluß dafür fensterlos. Und wenn hier auch drei (gegenüber denen des Chorjochs verkleinerte) Stichkappen in die Kalotte hineinragen, so sind doch die Wandabschnitte unter den beiden äußeren von ihnen leer, es gibt nicht einmal Blendbögen. Der mittlere Wandabschnitt mitsamt fast seiner gesamten Stichkappe ist sowieso vom Hochaltar verdeckt. Die Pfarrkirche dagegen zeigt rundbogige Fenster unter den beiden äußeren Stichkappen im Rundschluß des Chors. Auch hier verdeckt der Hochaltar natürlich das Wandfeld unter der mittleren, achsialen Stichkappe.
An den Innenseiten der Triumphbogenpfeiler, oben, auf der Höhe der Fenster, hängen sich ein schlichtes Kruzifix mit einem lebensgroßen Christus auf der Evangelienseite (links) und die reich ornamentierte Rokoko-Kanzel auf der Epistelseite (rechts) gegenüber. Der Gekreuzigte ist - sowohl was die Plastizität als auch was die Farbgebung anbelangt – ausgesprochen realistisch und dementsprechend eindringlich dargestellt. Zusätzlich zu der in Form eines Spruchbandes gearbeiteten, flatterig-grauen Inschrifttafel "INRI" am oberen Kreuzstamm, über dem mit der Dornenkrone und einem einfachen Kreuznimbus umgebenen Haupt, weist das Kruzifix auch am unteren Ende des Kreuzstamms eine Inschrift auf: "Es ist vollbracht", triumphiert es lautlos auf einem mit einem Ornamentenkranz verzierten und vergoldeten Teller, auf dem der Blick des Betrachters schließlich zur Ruhe kommt.
Der Boden der Kanzel befindet sich auf gleicher Höhe mit der rechten Seitenempore, und von ihr aus ist sie auch unauffällig durch ein kleines Türchen zugänglich, auf dem - für die Gemeinde sichtbar - in verschnörkelter Form die Buchstaben des Christus-Monogrammss dargestellt sind: IHS. Und obwohl Empore und Kanzel also auf diese Weise miteinander verknüpft sind, könnte der Kontrast zwischen ihnen doch nicht größer sein: hier das schlichte Weiß der glatten Balkonfronten mit den rosafarbenen Vertiefungen als einzigem Schmuck, dort die überbordenden, vergoldeten Rocaille-Ornamente auf dem rosafarben marmorierten, über einem achteckigen Grundriß angelegten Kanzelkorb. Dieses Polygon ist allerdings nicht ganz ausgeprägt, es liegen nur fünf Seiten vollständig und zwei weitere zum Teil frei, der Rest ist vom tragenden Pfeiler abgeschnitten. Auf einer dieser unvollständigen Seiten befindet sich die Blendwand mit dem Türchen zur Empore. Die Lage und Funktion der Kanzel kommt dem Hang des Rokokos zur Asymmetrie und Komplikation entgegen. Einerseits ist die Kanzel durch ihre Anbringung an der Innenseite des Triumphbogenpfeilers nämlich zum gegenüberliegenden Kruzifix hin ausgerichtet. Von der Funktion her wendet sie sich aber an die Gemeinde, und die sitzt im rechten Winkel dazu: im Langhaus. Gelöst ist dieses Problem baulich durch eine Quasi-Symmetrieachse, die die Kanzel im Winkel von 45 Grad sowohl vom Kruzifix als auch vom Langhaus her gesehen durchschneidet und von der aus sich der Aufbau der Dekoration entwickelt. Die dieser 45-Grad-Perspektive zugewandte Polygonseite und damit Teilfläche des Kanzelkorbs ist zunächst mit einer großen, vergoldeten Blendkartusche (Zierrahmen ohne Inhalt) dekoriert. Darunter, auf dem den Kanzelboden betonenden und den ganzen Korb umgebenden Wulst, ein großes, asymmetrisches Rocaille-Ornament. Links und rechts von dieser "Frontseite", also auf den Randpartien der beiden angrenzenden Polygonflächen, sind dem Kanzelkorb pilasterähnliche Gebilde vorgelegt, um die das profilierte obere Abschlußgesims des Korbs zwar brav herumverkröpft ist (wie die Kämpfergesimse um die Wandpfeiler der Kirche), die aber auf halber Höhe wie geschmolzen und vertikal zusammengestaucht sind, so daß sie an dieser Stelle in einer Wölbung nach außen durchhängen; unten verlieren sie dann völlig den Pilastercharakter, geraten stattdessen zu freistehenden, weit nach außen gewölbten Armen, die sich in rundem Bogen um den Wulst herumkrallen, als wollten sie den Kanzelboden halten. Von der Quasi-Symmetrieachse her gesehen außen neben diesen "Pilastern" wiederholt sich auf beiden Seiten das Motiv der Blendkartusche (sowie des darunter sitzenden Rocaille-Ornamentes); die Kartuschen sind aber jetzt nicht mehr auf je einer einzigen Polygonseitenfläche angelegt, sondern - die "Pilaster" nehmen ja den Platz weg - je über Eck auf zweien (ebenso die Rocaille-Ornamente). Dahinter, also noch weiter außen, wiederholt sich auf jeder Seite nochmal das Pilaster-Motiv. Insgesamt ergeben sich also vier "Pilaster"; und an deren unteren Greifarmen sind - je inmitten von reichlicher Federflügelornamentik - die vier vergoldeten Köpfe der Evangelistensymbole angebracht: von links nach recht: Stier, Löwe, Menschenkind und Adler, für Lukas, Markus, Matthäus und Johannes. Unten wird der Kanzelkorb von einem großen, vergoldeten Hängezapfen abgeschlossen.
Der Schalldeckel der Kanzel wird wiederum von vier freistehenden, geschwungenen und zusammengerollten, rosafarben marmorierten Armen gehalten, die aber hier viel mehr auf dem Deckel zu ruhen und an dem Punkt auf der Höhe des Kämpfergesims', an dem sie eigentlich befestigt sind, einen Aufsatz zu tragen scheinen. Dieser Aufsatz besteht aus einem vergoldeten Unterteil, bei dem mir nicht klar ist, ob es sich um ein reines Phantasieornament, oder eine Plastik mit symbolischer Bedeutung handelt. Der obere Teil des Aufsatzes dagegen stellt eine schwarz-steinerne, zweiteilige und aufgeklappte Tafel des Dekalogs (d.h. zehn Gebote) dar, mit der üblichen Anordnung der untereinander eingemeißelten Ziffern von I, II, III auf der linken und IV bis X auf der rechten Seite. Zwischen diesen Armen sitzen - entsprechend den drei Blendkartuschen des Kanzelkorbs - drei Putten auf vergoldeten Phantasieplastiken (die vielleicht Wolken darstellen) auf dem Schalldeckel und halten wiederum drei Symbole in den Händen: ein Kreuz, ein Herz und einen Anker, für Glaube, Liebe, Hoffnung, die christlichen Tugenden.
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